Seit Dezember 2018 hat sich der Senat zum Ziel gesetzt, „Urban Gardening in der Stadt (zu) verwurzeln“. Mittlerweile gibt es in der Umweltverwaltung einen sog. Gartenbeauftragten, eine „Plattform Produktives Stadtgrün“ ist aufgelegt. Die Verwaltung möchte zusammen mit Gärtnernden und Fachleuten und in Abstimmung mit weiteren auch bezirklichen Verwaltungen ein „Programm Gemeinschaftsgärten“ erarbeiten. Als Ziele sind genannt: Unterstützung und mögliche Förderung von bestehenden und neuen Gemeinschaftsgärten, Aktivierung potentieller Flächen für neue Gemeinschaftsgärten.
Eine Online-Auftaktveranstaltung fand Anfang März statt, mit über 100 Beteiligten. Sog. Fachwerkstätten sollen folgen. Im Winter 2020/21 soll der Programmentwurf stehen.
„Bestehende Gärten zu unterstützen“ heisst für uns, sie zunächst und vor allem erst einmal vor Verdrängung zu schützen. Davon war beim Programm-Auftakt in der Eröffnungsrede von Staatssekretär Tidow (SPD) nichts zu hören. Stattdessen und erwartbar: Absichtserklärungen, viel Abstraktes, Verweise auf bereits Geleistetes wie die Grün-Charta, deren Bekenntnis zum „wachsenden Grün in der wachsenden Stadt“ alsbald in Regierungshandeln übersetzt werden soll. Und kein Wort darüber, dass Himmelbeet, Peace of Land, Prachttomate und andere Gärten in ihrer Existenz bedroht sind.
Und das, obwohl sich Berliner Gemeinschaftsgärtnernde seit über 10 Jahren in unterschiedlicher Weise dafür einsetzen, dass ihre Flächen ins Bau- und Planungsrecht integriert werden, dass Zwischennutzungen keine Lösung sind (Forum Stadtgärtnern, Werkstatt-Gespräche, Manifest „Die Stadt ist unser Garten“, Netzwerk Urbane Gärten Berlin).
Der Senat versucht mit seinen Beteiligungsprozessen für die Grün-Charta und jetzt für die Gemeinschaftsgärten auch, einen Umgang mit dem sog. Nutzungskonflikt um die Ressource Boden zu finden. Dieser Nutzungskonflikt jedoch ist systembedingt. Solange dem Gebrauch des Eigentums zu Profitzwecken kein Riegel vorgeschoben wird, wird sich an der prekären Lage von Gemeinschaftsgärten wenig ändern. (Was übrigens auch für andere Lebensbereiche der Menschen zutrifft).
Zugespitzt und im Hinblick auf das Beteiligungsprojekt „Programm Gemeinschaftsgärten“ gefragt: Was nützen uns neue Gremien, Verfahrensabläufe, Förderprogramme und Ansprechpartner*innen, wenn im Zweifelsfall grüne Freiräume letztlich doch sog. übergeordneten Interessen geopfert werden? Ob in Einzelfällen Gelder aus dem städtischen Bodenfonds aktiviert werden können, um auch nichtkommunale Flächen zu kaufen, läge allein im Ermessensspielraum der Entscheider*innen, würde zudem ähnlich wie beim Vorkaufsrecht und bei „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ Marktmechanismen bedienen.
Auch unter R2G und mit Versuchen kleindosierter Marktregulierungen kann sich die Stadtentwicklung nicht von ihrer neoliberalen Ausrichtung lösen. Partizipation als governance-Instrument spielt hierbei eine wichtige Rolle. Gärten könnten in diesem Setting Gefahr laufen, durch Einbindung Teil einer grün-kapitalistischen Entwicklung zu werden. Durch staatliches Regieren und Delegieren kann aus vermeintlicher Selbstbestimmung schnell Fremdbestimmung werden. Smarte Gärten in einem smarten Berlin. 20 oder 30 durch das Senatsprogramm neugeschaffene Gärten machen sich jedenfalls gut auf Pressefotos. Die Marke „Berlin“ gewinnt.
In der Auseinandersetzung mit den Institutionen um eine gartengerechte und soziale Stadt setzen wir auf Selbst- und Basisorganisierung sowie Vernetzung mit gleichgesinnten Gärten, Initiativen und Bewegungen. Wir treten ein für Gemeinschaftsgärten als nichtkommerzielle offene Freiräume, die Gemeingüter nutzen und teilen, die die profitdurchtriebenen Verheissungen einer „grün-nachhaltigen“, tech-digitalen Stadt hinterfragen und bekämpfen.
Und das umso mehr in einer Stadt der Reichen, in der (fast) jeder Quadratzentimeter dem Verwertungsdogma unterworfen ist, in der Investoren die Stadt als ihre Beute betrachten und sie verhökern, in der Viertel aufgewertet und Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt werden, in der die Politik die Räumung von Hausprojekten, Kollektivkneipen, Obdachlosen- und Wagenplätzen nicht nur duldet sondern auch unterstützt oder aktiv betreibt.
Deshalb: Ja zur Beteiligung – an der Produktion selbstbestimmter und gegenhegemonialer Räume!