Kämpfende Nachbarschaften

Die Ausstellung „Kämpfende Nachbarschaften“ versammelt Beiträge verschiedener Neuköllner Initiativen, die sich gegen die Aufwertung ihrer Kieze und die Verdrängung einkommensschwacher Bewohner*innen und gewachsener nachbarschaftlicher Strukturen gewehrt haben bzw. wehren. Auch unser Garten ist mit einer Collagetafel beteiligt, die vergangene Aktionen und Kollaborationen gegen Bodenspekulation, Teilverdrängung, Baugruppen-Pest und marktgetriebener Wohnungspolitik von Bezirk und Senat veranschaulichen möchte.

Die stadt- und mietenpolitische Bewegung hat sich früh gegen die vor weit über 15 Jahren einsetzende und vorangetriebene Gentrifizierung in Neukölln positioniert. Sie hat Kiezversammlungen- und spaziergänge, Blockaden und Kundgebungen gegen Räumungen, hat Besetzungen von Leerstand, von Ferienwohnungen und von Bauplätzen, hat Aktionskunst, Erstberatungen und Kinoabende mit anschließendem Austausch durchgeführt, hat bezirkliche Feierstunden und Entwicklungsagenturen „besucht“, Murals, Graffitis und Infowände sind entstanden, interkiezionale und Großdemos wurden veranstaltet sowie viele lokale und haus-/projektbezogene Kundgebungen und Straßenfeste. Ein neue wöchentliche selbstorganisierte Mieter*innenberatung hat sich jüngst gegründet.

Für ganz Berlin konnten gegen die Macht der Immobilienlobby und ihre politischen Handlager einige kleinere und größere Teilerfolge errungen werden *, jedoch sind demgegenüber massive Rückschläge zu verzeichnen. Mietendeckel – abgeschafft, Mietpreisbremse – ein Witz. Viele soziale Treffpunkte, Freiräume, Häuser – geräumt. Die Mieten steigen weiter, es fehlen nach wie vor preisgünstige Wohnungen, das bisschen Wohnungsneubau sorgt vor allem für hochpreisige Mietwohnungen, der eklatant große Leerstand von Wohn- und Büroflächen bleibt ungenutzt, besonders betroffene Gruppen wie Obdachlose, Geflüchtete und rassifizierte Menschen werden noch mehr ins soziale Abseits gedrückt.

Perspektiven? Ein Ansatzpunkt der Bewegung ist natürlich, sich über vergangene und aktuelle Kämpfe auszutauschen, Wissen und Erfahrungen weiterzuvermitteln **, sich wieder und neu zu verknüpfen ***. Reformerische Ansätze lassen sich kritisch-solidarisch weitertreiben ****, das im Wissen dass die Betroffenen von der institutionellen Politik nichts zu erwarten haben. Die Antworten müssen demnach von der Stadt von unten, den Mieter*innen, uns selbst, entwickelt werden. Denn die Erfahrung zeigt: es braucht eine wirkungsvolle Gegenmacht außerhalb der Parlamente und Parteien, um substantielle Veränderungen zu bewirken, die das Diktat des Profits und der Verwertung im Wohnungsmarkt (und anderen Märkten der Daseinsvorsorge wie generell) entscheidend zurückdrängt.

Es gilt zudem konkrete Utopien zu verwirklichen, selbstorganisiert, lokal und den Kiezen, zum Beispiel Commons zu initiieren oder noch stärker mit Leben zu füllen (wie rebellische Gemeinschaftsgärten, niedrigschwellige Kiezläden als soziale Zentren), ZADs durchzusetzen (leerstehende Gebäude und Flächen kollektiv anzueignen), als Experimentierfelder für ein Leben abseits der herrschenden gesellschaftlichen Normen. Oder auch zu fragen: Was brauchen wir für eine Infrastruktur in den Kiezen, was fehlt? Was soll ins halbleere Kaufhaus Karstadt am Hermannplatz, welche Bedarfe gibt es für das C&A-Gebäude an der Karl-Marx-Straße?

Und wie geht’s dir mit der verdammten Miete? Dem enteigneten Leben?

Ausstellungseröffnung ist am Donnerstag 25.09., ab 19.00 in der Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft, Sonnenallee 101.

* Der Google-Campus wurde verhindert, ein paar Häuser konnten über das – sehr zwiespältige – bezirkliche Vorkaufsrecht den Eigentümer*innen abgekauft werden, Vonovia-Mieter*innen gehen gegen überhöhte Mietnebenkosten vor, einige Zwangsräumungen konnten wenn nicht verhindert dann wenigstens verzögert werden, die Regierenden sahen sich genötigt, klassische Rekommunalisierungen von größeren Wohnungskomplexen durchzuführen, ein – teilweise begrenzter – Diskurs für rechtliche Enteignungen von großen Wohnungsbeständen ist durch die DWE-Initiative gesetzt, in Pankow und am Kotti wird das Auslaufen von Sozialbindungen kritisiert, die Habersaathstraße in Mitte wurde von Obdach- und Wohnungslosen besetzt, My Gruni besucht das Problemviertel Grunewald, die Lauratibor-Protestoper in Kreuzberg setzt musikalische Kontrapunkte, einige Eigenbedarfskündigungen wurden gerichtlich abgeschmettert …
** Besetzt-Kampagne, Nachbarschaften und Kieze organsieren um ein soziales Zentrum, Mieter*innenverbände „politisieren“, Idee der Mieter*innenräte, Beispiel Mieter*innengewerkschaft
*** Zum Beispiel auch mit relevanten klimapolitischen (klima- und sozialgerechte energetische Maßnahmen in Mietshäusern), (basis)gewerkschaftlichen (letztlich doppelter Lohnraub über Mehrwert und Miete/Modernisierung) und Antifagruppen (Studie: steigende Mieten macht Mieter*innen mit ihren sozialen Abstiegsängsten empfänglicher für AfD)
**** Mietendeckel, Vergesellschaftung/Enteignungen sprich Abkauf großer Wohnungsbestände