Vor 500 Jahren erhoben sich vor allem in Süddeutschland und angrenzenden Regionen massenhaft Bäuer*innen und weitere Unterprivilegierte gegen die Herrschaft des Adels und der Kirche. Mobilisierend wirkte ein Manifest, die 12 Artikel von Memmingen, das die Selbstverwaltung der dörflichen Gemeinschaften, die Allmende-Bewirtschaftung, eine verlässliche Rechtssprechung ohne Willkür, die Reduzierung der Abgaben und die Abschaffung der Leibeigenschaft einforderten, „dass wir frey seyen und wöllen sein“. Eine „Bundesverordnung“ wurde verabschiedet, die auf kommunale und konföderale Strukturen abhob. Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Aufstände blutigst niedergeschlagen. Doch die Ideen lebten weiter, der Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit wurde an unzähligen Orten weltweit weitergeführt, bis heute.
Darauf möchte das Bündnis „500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land“ aufmerksam machen. Es interessiert sich dabei besonders für den Zusammenhang der Zerstörung der dörflich-agrarischen Lebensweise durch Einhegung und Privatisierung der Allmende mit dem einsetzenden frühkapitalistischen Welthandel, dem beginnenden Kolonialismus, der den Kapitalismus mit seinen in den Kolonien abgepressten Erlösen befeuerte, dem die Ausbeutung von Sklav*innen und Indigenen legitimierbar machen wollenden Rassismus wie auch der jahrhundertelangen Hexenverfolgung und späteren Zurückdrängung der Frau an Heim und Herd.
Der reichste Mensch zur Zeit der Bauernaufstände, Jakob Fugger, finanzierte deren Niederschlagung ebenso wie er zuvor, 1499, an der Entsendung von Schiffen nach Abya Yala beteiligt war. In den Kolonien wehrten sich indigene Gemeinschaften gegen dortige Enteignungen, auch zusammen mit entflohenen Sklav*innen und aus dem britischen „Mutterland“ deportierten Zwangsarbeiter*innen. Viele dieser Deportierten wurden im britischen Königsreich durch die autoritären Umstrukturierungen land- und arbeitslos gemacht, kriminalisiert und in überfüllte Gefängnisse gesteckt. Deren „Entleerrungen“ sorgten dann für billige Arbeitskräfte in den Kolonien.
Auch heute kämpfen viele Kleinbäuer*innen weltweit um Land und Freiheit. So wehrt sich der indigene, kleinbäuerliche Widerstand des CIPOG-EZ (Concejo Indígena y Popular de Guerrero – Emiliano Zapata) in Mexiko gegen die andauernden Angriffe paramilitärischer Einheiten. Dieser selbstorganisierte Verbund schickte jüngst eine Grußbotschaft an das Bündnis „500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land“: „Wir befinden uns in einer sehr kritischen Phase, da wir uns einer Terrorkampagne ausgesetzt sehen, die unsere Gemeinden überschwemmt und unseren Menschen extremster Gewalt aussetzt. Und dies einfach nur, da wir als Pueblos in unserem Widerstand standhaft geblieben sind. Dabei trägt der Staat eine Mitschuld, denn während wir bedroht, gekidnappt, vertrieben und ermordet werden unternimmt der Staat nichts gegen die paramilitärischen Gruppen, von denen sie längst wissen, wer sie sind und wo sie agieren.“
In Frankreich kämpft Les Soulevements de la Terre u.a. gegen riesige Wasserspeicher mit Aktionen des zivilen Unghorsams und der Aneignung (wir berichteten). Hierzulande wurden gegen den Wassernotstand und die Teslafarbik in Grünheide Sabotageaktionen, eine Waldbesetzung, Kundgebungen, Aktionstage durchgeführt. Die weitaus regelkonformere Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) wiederum setzt sich gegen das Höfesterben und die vielfachen Zerstörungen einer industriellen Landwirtschaft ein. Die Memminger Artikel sind für sie nach wie vor höchst aktuell.
Thomas Müntzer, der radikale Reformator und Umstürzler, beklagte vor 500 Jahre: „Die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei sind unser Herrn und Fürsten, nehmen alle Kreaturen zum Eigentum: die Fisch im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden muß alles ihr sein“.
Bundespräsident Walter Steinmeier, vormals der zentrale Architekt der Hartz-4-Agenda-Verschärfungen, zog in einer kürzlich in Memmingen gehaltenen einhegenden Festrede eine Linie von den Bäuer*innenaufständen hin „zu unserer freiheitlichen Demokratie“, spricht vom „faszinierenden ´Projekt Freiheit´“. Seine Freiheit jedoch garantiert zuvorderst die Freiheit der Privateigentümer*innen, Reichen und Mächtigen, alles zur Ware machen und verwerten zu können.
Auch dagegen positioniert sich der weltweite Zusammenschluss von Kleinbäuer*innen, Hirt*innen, Fischer*innen und Landarbeiter*innen La Via Campesina und ruft für den 17. April wieder zu Aktionen auf.
Es geht um nichts weniger als darum, uns (wieder) Land und Produktionsmittel anzueignen, sie kollektiv und solidarisch zu nutzen! Ernährungssouveranität und -autonomie bleiben Handarbeit! Und in Zeiten weiter steigender CO2-Emissionen und einer faschistischen und rechten Mobilisierung ist der Kampf gegen die Klimakatastrophe: Antifaschismus!
radiocorax.de/wp-content/uploads/CORAX_PZ_AprilMai25_web.pdf
contraste.org/tag/bauernkrieg
viacampesina.at/hurtig-500-jahre-bauernkrieg/
i-dk.org/
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