16. September 2018
Angeklopft haben bereits Zalando (wir berichteten: Archiv 2017 – 1, 06.05.17), Gardena – und jüngst nun Delivery Hero, „ein internationales Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin. Mehr als 1.000 Mitarbeiter aus fast 70 verschiedenen Ländern arbeiten in unserem „Hero Hub“ an der Oranienburger Straße“.
Dessen als erfolgreich gepriesenes Geschäftsmodell besteht darin, Essen aus Restaurants des näheren Umkreises von hyperflexibilisierten Fahrradkurier*innen zu Kund*innen liefern zu lassen.
Und was ist das Anliegen dieses global agierenden Konzerns mit annähernd 16.000 Mitarbeiter*innen? „Wir würden gern mehr Verantwortung für unsere Stadt übernehmen und langfristig etwas Gutes tun. Ihre Organisation steht für Werte, die wir vertreten und gern unterstützen möchten.“
Erstere beiden Punkte können wir bestens nachvollziehen, liegt doch die Hauptverantwortung dieses als europäische Aktiengesellschaft aufgestellten Konzerns in erster Linie darin, die Rendite seiner Aktionär*innen zu steigern und das gern auch mit Berichten darüber, was er selbst „Gutes“ tut. Der letzte Punkt – unsere zum Vorbild gereichende Wertehaltung – bereitet uns zugegebenermaßen schon etwas Kopfzerbrechen. Müssen wir da noch etwas an unserem Corporate Design arbeiten, um in Zukunft keine entsprechenden Anfragen mehr zu erhalten?
„Sehr gern würden wir Ihnen etwas von unserer Zeit spenden und unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ehrenamtlich für Sie aktiv zu werden – gern auch regelmäßig und langfristig“.
Wir verzichten! Denn das Corporate Volunteering von Delivery Hero hat mit seinen Teambildungsmaßnahmen und Reputationsmanagement-Plänen die Funktion, von den miesen Arbeitsbedingungen beim Tochterunternehmen Foodora – und womöglich denen anderer hauseigener Marken wie pizza.de oder lieferheld.de – abzulenken. Denn wir möchten kein Social Washing-Support für ein Unternehmen betreiben, das seine Kurierfahrer*innen von Foodora einem harten und unfairen Effizienz-Ranking auf Algorithmus-Basis aussetzt, bei einem faktischen Stundenlohn unter dem Mindestlohn, wenn man die Aufwendungen für Material und Versicherung von den 9,00 € Grundlohn mitberechnet. Das Lohnsystem mit seinen Anreizen führt zu riskanterem Fahren, berichtet die Hans-Böckler-Stiftung. Wie selbstverständlich wird erwartet dass die Fahrer*innen eigene Arbeitsmittel wie Fahrrad und neueres Handy mit entsprechendem Vertrag und Datenvolumen mitbringen und die anfallenden Reperaturkosten selbst tragen.
Doch viele Fahrer*innen bei Foodora und des Konkurrenten Deliveroo wehren sich und haben sich auf Betriebsebene und überbetrieblich zusammengeschlossen und Demos organisiert. Mancherorts konnte ein Betriebsrat gebildet werden. Die Basisgewerkschaft FAU unterstützt die Proteste, so auch in Berlin. Die Forderungen: die volle Übernahme der Reparaturen an ihren eigenen Fahrrädern, mehr Lohn und eine bessere Organisation der Schichtendienste. Foodora gewährte als Ergebnis der Verhandlungen einzig eine von den betroffenen Fahrer*innen als völlig unzureichend eingestufte Pauschale für Reperaturen. Deliveroo hat sich ganz aus den Verhandlungen zurückgezogen. Die Kurierfahrer*innen sind entsprechend unzufrieden und haben weitere Aktionen bis möglicherweise hin zum Streik angekündigt. Riders united!